Projektleiter IT, Kerzers (FR)
Meine Freunde wissen nicht, dass ich konsumiere. Wenn wir in den Ausgang gehen, nehme ich eine halbe Ecstasy-Pille. Dann ziehen wir von Bar zu Bar und trinken. Sie kennen nur Alkohol, darum sehen sie es mir nicht an. Ich bin sowieso der fröhliche und aufgeschlossene Typ, da merken sie kaum einen Unterschied.
Ab und zu überlege ich mir, ob ich es ihnen sagen und ihnen etwas anbieten soll. Aber sie haben überhaupt nichts mit Drogen am Hut. Vermutlich würde gar nichts passieren, wenn ich es sagen würde. Manche fänden es wohl seltsam, andere wären vielleicht sogar interessiert. Aber es würde sicher das Bild verändern, das sie von mir haben.
Früher war ich wie sie und trank im Ausgang immer viel Alkohol. Seit ich Ecstasy nehme, bin ich am nächsten Morgen weniger verkatert. Ein Down am Tag danach habe ich nie, das kenne ich nicht – da geht es mir mit einem Kater viel schlechter. Der Abend selbst wird mit Ecstasy ausgelassener, fröhlicher. Ich bin wie angeknipst.
Meine erste Erinnerung an Drogen ist ein Kleber, der im Kinderzimmer meines besten Freundes hing. Der war so pink-schwarz und da stand «Keine Macht den Drogen» – das hat sich bei mir eingebrannt. Meine Eltern kommen aus dem Balkan. Sie sind unpolitisch, aber eigentlich liberal denkende Menschen. Meine Mutter erklärte uns früh, dass Drogen schlecht sind. Der Onkel meines besten Freundes, der mir immer sehr sympathisch war, bekam irgendwann ein Drogenproblem und verlor alles: Den Job, die Familie, sein ganzes Leben. Das war eine grosse Schande.
Am Gymnasium begann ich zu kiffen und kaufte mir irgendwann mein eigenes «Füfzgi». Meine damalige Freundin verpetzte mich bei meinen Eltern, weil sie sich Sorgen machte. Mein Vater setzte sich daraufhin mit mir hin und führte ein ernstes Gespräch mit mir. Er hat das super gemacht! Er war streng, aber wohlwollend. Für mich war sofort klar, dass ich damit aufhören würde. In der Schule packte ich meine Freunde, ging mit ihnen aufs WC und hielt theatralisch mein Päckchen Gras über die Schüssel. Ich wollte ihnen eindrücklich demonstrieren, dass wir alle damit aufhören sollten – für mich war das völlig logisch. Doch nicht für sie; im letzten Moment fingen sie das Päckchen auf und retteten es vor dem Abfluss.
Trotzdem: Für mich war’s das mit dem Kiffen.
Ich wusste, dass man mit Kiffen warten sollte, bis das Hirn voll ausgereift war. Also wartete ich. Mitte 20 lebte ich alleine in meiner ersten Wohnung und entschied, dass es nun so weit war. Ab da ass ich manchmal Space Cakes zu Hause vor dem Fernseher. Mir war immer klar, dass ich kein Sucht-Mensch bin. Ich rauche gelegentlich – kann es aber immer auch sein lassen.
Vor zehn Jahren war ich an einer Hochzeit in Ibiza. Dort hat mich eine Frau angetanzt. Irgendwann hatte sie eine Pille auf der Zunge. Es war wie im Film, eine sehr laszive Szene. Ich nahm die Hälfte davon und verbrachte den Rest der Nacht mit ihr und ihren Freunden. Es war ein spontaner Exzess-Moment, ich war euphorisch, wurde später auch intim mit ihr. Eine tolle Nacht! Später besuchte ich sie einmal in England. Ich dachte, sie könnte vielleicht die Mutter meiner Kinder werden. Aber ich merkte schnell, dass sie mir zu unordentlich war.
Zurück in Buchs sprach ich einen Arbeitskollegen auf Drogen an. Ich wusste, dass er konsumierte und fragte ihn, ob er mir etwas besorgen könnte. Über seinen Dealer kam ich an Ecstasy und LSD. LSD nahm ich so drei, vier Mal alleine bei mir zu Hause. Ecstasy wurde schnell mein Ding für den Ausgang. Vor meinem Umfeld hielt ich das von Anfang an geheim. Ich erzählte keinem davon. Am Anfang wusste ich nicht, dass man davon grosse Pupillen bekommt. So erwischte mich irgendwann meine beste Freundin. Ich war mit ihr und meinen Freunden unterwegs, sie sah mich an, kam näher, sah mir tief in die Augen und sagte: «Du hast etwas genommen.» So merkten wir, dass wir beide konsumierten. Die anderen haben damals nichts gemerkt – und das ist bis heute so.
Mit meiner besten Freundin probierte ich einmal Kokain. Wir waren bei ihr zu Hause, aber ich habe nichts davon gemerkt. Also beliess ich es dabei. Heute finde ich: Das war ein dummes Spiel mit dem Feuer. Koks ist eine harte Droge und ich hätte sie nie am besten gar nie anfassen sollen.
Als meine heutige Frau und ich Kinder bekamen, hörte ich auf mit den Drogen. Ich hatte vor ihrer Schwangerschaft Vorrat für 1000 Franken eingekauft. Auf dem sass ich dann. Ich wusste ja nicht, wie viel man dafür bekommt.
Als die Kinder kamen, waren mir die vielen Drogen zu Hause irgendwie unangenehm. Ich fand es falsch. Und ich nahm an, dass ich davon nun sowieso nie mehr nehmen würde. Also habe ich alles vernichtet. Ich hatte in der Zeitung von Abwasserproben gelesen und dass sie darin Substanzen messen können. Daraus schloss ich, dass es schon okay sein würde, all das ins WC hinunterzuspülen. Das war’s dann für die nächsten Jahre.
Inzwischen sind die Babyjahre hinter uns und ich habe immer mal wieder Lust auf Ausgang. Der Dealer von damals ist längst verschwunden. Über eine Bekannte fand ich einen neuen. Sie vermittelte den Kontakt und sagte mir, welche App ich installieren sollte. Er schrieb mich dort an und gab mir seine Adresse. Als ich bei ihm ankam, war er ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Bei ihm sassen schon zwei andere Kunden. Der eine schien hochgradig bekifft, der andere fachsimpelte mit dem Dealer über irgendwelche Substanzen, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte.
Er wog für sie alles Mögliche ab, sie bezahlten, und dann war ich an der Reihe. Ich erzählte ihm, was ich schon kenne und sagte, dass ich Lust habe, etwas Neues zu probieren. Der Dealer riet mir, mich langsam wieder heranzutasten. Am besten mit dem, was ich schon kenne. Also habe ich Ecstasy und aus Neugierde zwei Portionen 2C-B gekauft. Ich fragte den Dealer auch nach einer Alternative zu Concerta. Das hatte ich in jungen Jahren genommen, um besser lernen zu können. Es macht mich unglaublich fokussiert. Nun brauchte ich etwas in ähnlichem Stil für die Arbeit. Eigentlich wollte ich mir das Medikament vom Hausarzt verschreiben lassen, aber der hat es mir nicht gegeben. Der Dealer riet mir zu Amphi. Er erklärte mir, wie viel und wie ich es nehmen sollte und so kaufte ich es.
Im Internet bestellte ich mir eine präzise Waage und bereite mir mit Papes einen Vorrat mit kleinen Bömbeli vor. Seither schlucke ich 10 bis 15 mg Amphi morgens vor der Arbeit. Es wirkt sechs bis acht Stunden. Manchmal kann es etwas beklemmt anfühlen, aber sonst wirkt es super. Ich mache das so zwei- bis dreimal pro Woche, wenn ich müde bin oder ich mich fit fühlen will. Heute habe ich es auch genommen, weil ich voll da sein wollte für unser Gespräch.
Ich glaube nicht, dass das ein Problem ist. Erst auf substanzielles.ch habe ich in einer Geschichte gehört, dass Amphetamin abhängig machen kann oder problematisch fürs Herz sein könnte. Ich kaufe mir nun eine Apple Watch, um mein Herz zu tracken. Und anlässlich unseres Gesprächs habe ich meiner Frau erzählt, wie oft ich es nehme. Sie ist schon etwas erschrocken, aber ich sagte ihr, dass ich nicht süchtig bin. Sie wollte, dass ich das beweise und zwei Monate Pause damit mache. Also werde ich das jetzt machen.
Über die Qualität der Substanzen habe ich mir nie Sorgen gemacht. Ich weiss, dass es Drug-Checking-Angebote gibt, aber selber war ich nie da. Ich habe sowieso lange nicht begriffen, dass Salz nicht gleich Salz ist – also dass quasi etwas nicht in Ordnung sein könnte mit der Substanz, die ich kaufe. Es ist aber auch noch nie etwas passiert. Ausser einmal, als ich versehentlich überdosiert habe. Da hatte ich zwei Pillen genommen und danach Alkohol getrunken. Das war unangenehm. Auch als ich das 2C-B probiert habe, war es nicht sehr angenehm. Ich nahm es bei einem Znacht mit Freunden, wir spielten Spiele und danach machten wir Bar-Hopping. Ich war die ganze Zeit nervös und wollte nach draussen, herumlaufen. Das passte nicht so in die Geselligkeit. Gesagt habe ich ihnen nichts.
Um mich über Risiken zu informieren, finde ich Chat-GPT nützlich. Es gibt dir auch sehr genaue Informationen, wie man was nehmen soll. Einmal war ich bei einem Freund zu einem Spieleabend eingeladen. Als ich bei ihm auf dem WC Amphi nehmen wollte, fand ich in der Hosentasche zufälligerweise noch eine Ecstasy-Pille. Also las ich auf Chat-GPT nach, ob ich das kombinieren darf. Dort stand, dass ich das Ecstasy eine halbe Stunde nach dem Amphi nehmen solle. Das habe ich gemacht, aber ich habe von beidem nicht viel gespürt. Ich fühlte mich einfach fit, das war alles. Die anderen haben natürlich wie immer nichts gemerkt.
Meiner Frau sage ich meistens auch nicht, bevor ich etwas nehme. Es nimmt mich Wunder, ob sie etwas merkt. Bisher war das noch nie der Fall, ein Vodka Redbull macht mich ja auch redselig und ausgelassen. So bin ich einfach. Ich sage es ihr dann meistens im Nachhinein, weil ich es gut finde, wenn sie Bescheid weiss. Das ist ein guter Kontrollblick von aussen. Den Vorrat, den ich eingekauft habe, hat sie auch gesehen.
Sie selber hat noch nie Drogen genommen und ist eher ängstlich. Nächstes Wochenende geht sie mit ihrem besten Freund in den Ausgang. Da hat sie mich zum ersten Mal gefragt, ob ich ihr etwas mitgeben kann. Vielleicht gebe ich ihr etwas Amphi. Ecstasy jedenfalls sicher nicht – da möchte ich zur Sicherheit beim ersten Mal dabei sein. Jetzt haben wir abgemacht, dass wir im Ausgang einmal zusammen MDMA nehmen wollen.
Eine Veranstaltungsreihe von substanzielles.ch, der Photobastei und der Gesellschaft zur Erweiterung des Bewusstseins. Jeden letzten Mittwoch im Monat in Zürich.