Tobias
, 38

Rechtsanwalt und Wissenschaftler, Basel

Vor acht Jahren war ich Gerichtsschreiber an einem Bezirksgericht. Zu meinem Abschied wurden mir im Gerichtssaal Blumen und Lindor-Kugeln überreicht. Was weder ich noch das versammelte Gericht zu diesem Zeitpunkt wussten: in den Lindor-Kugeln war MDMA versteckt. Meine Kollegin überreichte mir die Packung mit einem Grinsen, da begann ich etwas zu ahnen. Wir hatten in den Wochen davor über Substanzen gesprochen. Ich wusste, dass sie konsumierte und sagte ihr, dass mich das auch interessieren würde. Und so kam es, dass ich im Gerichtssaal MDMA geschenkt bekam.

Ich bin Wissenschaftler und von Grund auf neugierig. Mich interessiert die Geistestheorie und ich habe auch in diese Richtung studiert. Mich interessiert, wie das Gehirn die Realität konstruiert, darüber habe ich viel gelesen. Da ist ein gewisses Interesse an psychoaktiven Substanzen naheliegend.

Die erste Substanz, mit der ich in Berührung kam, war Alkohol – wie bei allen. Alkohol konsumierte ich, um den Stock in meinem Arsch aufzuweichen. Das funktionierte einigermassen.

MDMA hatte auf mich aber eine langfristigere Wirkung als Alkohol. Die Substanz stellt die urteilenden Stimmen in deinem Kopf ab. MDMA half mir zu lernen, Gefühle und Gedanken einfach zuzulassen. Ich rannte nicht davon, sondern liess sie zu, gab mich ihnen hin und realisierte: Es bricht keine Welt zusammen. Es ist okay.

Dieser Abend ersetzte für mich ein Jahr Psychotherapie und das meine ich genauso, wie ich es sage. Für mich war das richtig und wichtig und im Übrigen denke ich, dass dieses Erlebnis alle Menschen einmal nötig hätten. Ich kann es jedem empfehlen. Wenn alle dieses Gefühl kennen würden, wäre die Welt eine bessere. Davon bin ich überzeugt.

Als Rechtsanwalt, als Wissenschaftler und als liberaler Mensch halte ich meinen Konsum nicht für unmoralisch. Was ich für unmoralisch halte, ist das Betäubungsmittelverbot.

Es ist nicht Aufgabe des Staates, mir zu sagen, was ich mit meinem Körper anstellen darf und was nicht. Aber es ist sehr wohl Aufgabe des Staates, eigenständige Entscheidungen urteilsfähiger Menschen zu schützen. Dazu könnte der Staat die Bürger ermächtigen, indem er beispielsweise zulassen würde, dass Substanzen nach einem Beratungsgespräch in Apotheken abgegeben werden.

Eine vollständige Legalisierung – gekoppelt an eine sinnvolle Regulierung – ist die einzige rationale Lösung. Man würde damit die illegale Produktion und den Handel austrocknen und die Konsument:innen könnten informierte Entscheidungen darüber treffen, was sie konsumieren – es hätte nur Vorteile.

Es wäre auch angebracht, die heutige Abstufung harter und weicher Drogen zu hinterfragen. Alkohol ist eine der gefährlichsten Substanzen überhaupt. Jedenfalls ist es garantiert noch nie vorgekommen, dass jemand auf MDMA jemand anderen verprügelt hat.

Grundsätzlich lege ich Wert darauf, Gesetze einzuhalten. Auch jene, die ich nicht gut finde. Denn das Einhalten der Gesetze hat einen Wert an sich, sofern der Gesetzgeber legitim ist, was in einer Demokratie ja glücklicherweise der Fall ist. Aber beim Betäubungsmittelgesetz überwiegt für mich klar der Nutzen, der daraus entsteht, wenn ich es breche.

Heute bin ich in der Forschung an einer Universität tätig. Darum erachte ich es als meinen Job, Gesetze und deren Legitimität zu hinterfragen. Eine logische Konsequenz meines Gesetzesbruchs ist die, dass ich eine allfällige Strafe selbstverständlich akzeptieren würde. Das gehört dazu. Denn aktuell sind die meisten Substanzen nun einmal weiterhin illegal.

Ich verkehre häufig in liberalen und bürgerlichen Kreisen. Da ist Alkohol bei sozialen Anlässen institutionalisiert. Kürzlich war ich an einem nicht näher zu benennenden Zunftanlass in der Innerschweiz. Da schwenkte das Gespräch mit einem mir bis dato unbekannten Zünftler relativ schnell auf den Konsum gewisser Substanzen. Dieser Herr sprach darüber ganz unbeschwert, was natürlich auch am Alkohol lag. Unsere ebenfalls alkoholisierten Zuhörer waren in keiner Weise schockiert, interessierten sich aber auch nicht sonderlich fürs Thema.

Ob und wie viel in diesen Kreisen konsumiert wird, weiss ich nicht. Substanzen haben für mich überhaupt nichts mit linken Kreisen oder Hippies zu tun, das ist einfach das Bild, das wir davon haben.

Wer Substanzen ausprobieren will, muss sich ganz auf das Erlebnis einlassen. Sonst wird man versuchen, sich gegen den Effekt der Substanz zu wehren und ziemlich sicher eine negative Erfahrung haben. Die Wahrnehmung wird extrem verändert, das kann stark verunsichern. Man wird geflutet von Gefühlen und halt nicht nur von positiven. Das ist phasenweise anstrengend. Dafür führt uns LSD buchstäblich vor Augen, welchen Anteil das Gehirn an der eigenen Wahrnehmung hat. Das ist enorm faszinierend.

Ich selber habe LSD erst zweimal konsumiert. MDMA in meinem ganzen Leben vielleicht zehn Mal. Zudem habe ich noch eine Handvoll anderer psychoaktiver Substanzen ein- oder zweimal ausprobiert. Auf meiner bucket list ganz weit oben steht Ayahuasca. Ein befreundeter Rechtsanwalt schwärmt schon lange davon – das muss eine sehr tiefgehende Erfahrung sein. Aber weil man danach wohl ziemlich lange Erholung braucht, muss ich mir dafür Ferien nehmen.

In meinem Freundeskreis haben sich in den letzten Jahren einige Leute auf dieselbe Entdeckungsreise begeben, wie ich. Besonders auf den Geschmack gekommen ist ein Freund von mir. Der ist Bezirksrichter. Und weisst du, wer sein Dealer ist? Sein Gerichtsschreiber.

Text: Elle
Bild: KI-generiert von Levin

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