Silvia
, 50

Sozialarbeiterin, Zürich

Ich habe nie Substanzen konsumiert und werde es auch in Zukunft nicht tun. Trotzdem bin ich für eine Legalisierung aller Drogen, denn ohne einen offenen und reflektierten Umgang mit allen Substanzen ist keine Wissensvermittlung möglich.

Aufgewachsen bin ich in Graubünden, in einem Umfeld, das geprägt war von Menschen, die Substanzen konsumieren. In der Oberstufe gab es eine Gruppe, die gekokst hat. Mich hatte das immer befremdet, aber gleichzeitig auch fasziniert, denn mich interessierte schon immer der Mensch und seine Geschichte dahinter. Das mitzuverfolgen fand ich spannend. Es gibt ja immer Gründe, warum jemand konsumiert. Und der muss seinen Konsum dann auch finanzieren und das hat wiederum entsprechende Folgen. Die Substanzen an sich interessierten mich nie. Es war mir auch immer egal, was genau konsumiert wurde.

Während meiner Ausbildung als Sozialarbeiterin und im Zuge meines Praktikums an der Jugend- und Drogenberatungsstelle kam ich oft mit der offenen Drogenszene rund um den Churer Stadtpark in Berührung. Ich habe Menschen in kläglichen und menschenunwürdigen Situationen erlebt, vor allem verursacht durch unreinen Stoff, schwankende Dosierungen oder das falsche Handhaben der Utensilien. Das führte manchmal zu schlimmen Abszessen. Ich habe trotzdem nie gedacht, dass Substanzen etwas Schlechtes sind. Problematisch ist der Umgang, den wir damit haben.

Aids war natürlich auch ein Thema. In meinem engeren Umfeld gab es deswegen Todesfälle. HIV war damals ja noch potenziell tödlich – nicht so wie heute. Später habe ich mich beruflich auch für die Aidshilfe engagiert. Heute fokussiere ich mich in meiner Arbeit auf sexualisierte Gewalt. Bei all diesen Themen, in denen ich unterwegs bin, war ich immer Zaungast. Ich befasste mich durch meinen Beruf zwar intensiv damit, war selber jedoch nie direkt betroffen.

Meine Töchter sind jetzt 18 und 20 Jahre alt. Wie die allermeisten jungen Leute kommen sie natürlich auch mit Drogen in Berührung. Wir haben ein offenes Verhältnis zueinander. Ich mische mich bewusst nicht in ihre Peer-Group oder Aktivitäten ein. Das kann ich als Mutter sowieso nicht beeinflussen. Sie wissen aber, dass sie mich jederzeit um Hilfe bitten können – egal was passiert ist und welche Uhrzeit gerade ist. Mich interessiert nicht, welche Substanzen sie konsumieren, sondern warum sie es tun. Es ist mir wichtig, dass ich mit meinen Kindern offen über diese Dinge sprechen kann.

Da wir in der älteren Generation unserer Familie eine psychisch labile Person hatten, haben wir womöglich eine Veranlagung, die im Zusammenhang mit psychoaktiven Substanzen ein Risiko darstellen kann. Gerade in einem solchen Kontext scheint es mir wichtig, dass Eltern über ein Grundwissen über Substanzen verfügen – genau so, wie es mit legalen Drogen auch der Fall ist.

Angst habe ich nie. Angst ist generell keine gute Ratgeberin. Ich hatte auch nie Berührungsängste, wenn es um Konsum ging. Menschen sterben halt einfach – aus verschiedensten Gründen. Meinen Töchtern könnte ja auch vieles anderes zustossen.

Brennpunktthemen faszinierten mich schon immer. Ich will die Motive der Menschen und die Kontraste in unserer Gesellschaft verstehen. «Wir Kinder vom Bahnhof Zoo» von Christiane F. hat mich schon früh begleitet.

Eine Sehnsucht nach dem Rausch habe ich selber aber nicht. Ich sehe darin keine Befriedigung. Tatsächlich habe ich noch immer ein völliges Desinteresse an Substanzen. In meinem heutigen Umfeld – ich lebe inzwischen in Zürich – konsumieren fast alle. Wenn es mal wieder eine MDMA-Bowle gibt, oder wenn mir jemand micro dosing LSD anbietet, lehne ich ab. Ich habe nichts dagegen, es interessiert mich einfach nicht.

Ich finde Ruhe, wenn ich auf dem Velo bin. Velofahren und allgemein Sport hat etwas Meditatives für mich und ich fühle mich nachher im Kopf aufgeräumt. Vor allem beim Klettern oder Downhillfahren bin ich voll konzentriert  – diesen Zustand finde ich attraktiv. Ich bin eher der Typ «Kontrollfreak», Alkohol trinke ich nur in Massen, ein Blackout hatte ich noch nie und möchte das auch nicht.

Ich kann aber durchaus verstehen, dass es Menschen gibt, die gerne für einen Moment die Kontrolle abgeben möchten.

Manche Menschen suchen das Abenteuer, andere möchten einfach abschalten. Und dort liegt das Risiko, denn nicht jede Substanz macht das Leben einfacher. Es gibt Leute, die konsumieren einfach, ohne sich vorher zu informieren. Ein Wissenstransfer ist nur durch eine Legalisierung möglich. Es braucht eine gesellschaftliche Offenheit gegenüber allen Drogen, denn die Illegalität von Substanzen hat viele schädliche Folgen. Im besten Fall würden wir auf einen Schlag alles legalisieren, nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt. Alle Substanzen könnten dann sauber und legal angeboten werden, und zwar zu Spottpreisen! Das würde zu grossen Disruptionen in der Unterwelt führen. Und wohl auch bei den Pharmakonzernen.

 

Text: Levin
Bild: KI-generiert von Levin

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