Anwältin, Dübendorf (ZH)
Dass die Substanzen, die ich konsumiere, illegal sind, ist mir egal. Als Anwältin bin ich nicht die Hüterin des Gesetzes. Ich setze mich für individuelle Personen und ihre Rechte ein. Substanzen zu konsumieren ist für mich wie bei einer roten Ampel über die Strasse zu gehen: Es ist eher ein «nicht sollen» als «nicht dürfen». Wenn etwas passiert, dann muss man aber mit den Konsequenzen leben können.
Natürlich ist es merkwürdig und widersprüchlich, dass ich selbst ab und zu kiffe und gleichzeitig an Strafverfahren mitgewirkt habe, in welchen Personen wegen Cannabiskonsum verurteilt wurden. Es wissen darum auch nicht viele, dass ich illegale Substanzen konsumiere. Auch als ich noch beim Gericht arbeitete, kannte ich nur Einzelne, die konsumierten. Interessanterweise werden es in meinem juristischen Umfeld aber immer mehr.
Die Kolleg:innen im Büro wissen, dass ich an Musikfestivals gehe. Wenn ich jeweils zu Hause Substanzen für ein Festival abpacke, frage ich mich manchmal: Was würden sie denken? Sie, die mich jeden Tag bei der Arbeit sehen?
Oft frage ich mich auch, was meine Grosseltern zu meinem Konsum sagen würden. Ich glaube, sie wären enttäuscht. Ich will nicht, dass sie Angst haben um mich und glauben, dass ich mein Leben nicht im Griff habe. Ich verstehe die Ängste der älteren Generationen schon: Meine Verwandtschaft erlebte die offene Drogenszene am Platzspitz und am Oberen Letten hautnah. Gebrauchte Spritzen am Boden, violettes UV-Licht in Garageneingängen und Leichen im Gebüsch: Das war die Realität.
Wenn mein Grossvater also denkt, dass jeder, der kifft, als Heroinabhängiger enden wird, kann ich das nachvollziehen. Es hat aber nichts mit dem Konsum von Substanzen zu tun, wie er in meinem Freundeskreis betrieben wird.
Meine Eltern haben nie geraucht. Ich zwischendurch schon. In meiner Familie wird nicht wirklich Wein getrunken. Ich hingegen trinke gerne manchmal ein Glas. Damit bin ich aber schon angetrunken. Ich habe Alkohol noch nie wirklich gut vertragen. Nur Cannabis rauche ich seit dem Gymnasium immer wieder. Schon als Kind rauchte ich Nielen oder nahm einen Schnupf, wenn eine Gelegenheit da war.
Wenn ich mir das jetzt so überlege, hatte ich immer schon ein Interesse an Substanzen. Die rote Linie blieb für mich aber lange Cannabis. Ich dachte, wenn ich etwas Härteres anrühre, bin ich verloren.
Ich war immer wieder an Partys, wo alle um mich herum Drogen konsumierten. Ich fand es creepy, wie sie ihre lines auf dem Handy machten. Eine enge Freundin erzählte mir irgendwann, dass sie ab und zu Drogen konsumiere. Ich war schockiert und reagierte sehr verurteilend. Was mich beruhigte, war, dass in ihrem konsumierenden Freundeskreis immer ein Arzt mit dabei war. Bei ihm stand die Gesundheit und eine korrekte Dosis immer im Zentrum.
Während der Pandemie war ich mit Freund:innen an einem Bergrave. Da haben wir MDMA gedippt. Das war okay, aber nicht weltbewegend. Dann probierte ich an einem kleinen Rave auf dem Land MDMA so richtig. Das war mega nice.
Viel mehr geflasht hat mich aber ein Trip mit 2C-B kurze Zeit später. Der war mind blowing. Damals habe ich mich auf Prüfungen an der Uni vorbereitet. Ich war stark unter Druck und suchte etwas, um den abzulassen. Ich dachte: Das musst du jetzt machen.
Mit einer Freundin an einem Festival nahmen wir beide 15 Milligramm 2C-B. Ein Freund passte auf uns auf. Das Festival war auf einem Hügel im Wald. Ich fand es mega krass, wie sich das Gras und die Bäume bewegten. Wir legten uns in einen Kokon aus Federn und Plüsch – es fühlte sich an, wie in einer Gebärmutter zu liegen. Die Idee, dass alles eins ist, kannte ich vom Yoga und aus dem Buddhismus. Das habe ich gesehen und gefühlt: Alles lebt und alles ist verbunden. Ich konnte die Welt auf eine andere Weise sehen als bisher.
Das 2C-B war ein Türöffner. Am Montag darauf fühlte ich mich wie ein neuer Mensch – so frisch. Die Prüfungen schienen mir plötzlich sehr irrelevant. Im Vergleich zu den anderen Lernenden war ich sehr gechillt und hatte eine super Lernphase.
Ich mag Ketamin und liebe LSD. Die Wirkungen dieser Substanzen finde ich enorm spannend. Sie machen aber einfach auch Spass. MDMA nehme ich heute wegen den körperlichen Nebenwirkungen kaum mehr, möchte aber aus psychotherapeutischer Sicht noch damit arbeiten. Ausser Alkohol an Apéros konsumiere ich derzeit eigentlich nur Psilocybin regelmässig.
Psilocybin wird im Zusammenhang mit dem weiblichen Zyklus sehr unterschiedlich verwendet. Leider sind prämenstruelle Beschwerden wie PMS oder PMDS als auch deren Behandlung mit Psychedelika noch viel zu wenig erforscht. Es gibt ganze Reddit-Foren zum Thema.
Es gibt verschiedene Hinweise, dass Frauen, die unter PMDS leiden und alle vier bis sechs Monate einen hochdosierten Trip mit Psilocybin machen, danach mehr oder weniger symptomfrei sind. Ich würde das sehr gerne ausprobieren. Dass ich eine Sondergenehmigung des BAG erhalte, ist aufgrund der mangelnden Forschung aber aussichtslos. Ausserdem müsste man mehrere Jahre erfolglos mit Antidepressiva behandelt worden sein.
So starke Psylo-Trips alleine und ohne professionelle Begleitung zu erleben, möchte ich lieber nicht. Deshalb mache ich nur microdosing an den ein bis zwei Tagen pro Zyklus, an denen es ganz schlimm ist. Das hilft für den Moment und bringt mich aus dem Tunnel raus.
In den Reddit-Foren empfehlen viele Frauen, dass über die gesamte Lutealphase, also in der zweiten Zyklushälfte, mikrodosiert wird, wobei einige alle zwei oder drei Tage pausieren. Im Büro stelle ich mir das für meine Konzentration eher schwierig vor.
Eine spezialisierte Psychiaterin meinte zu mir in der Sprechstunde: «Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Psilocybin wirkt, aber empfehlen kann ich es Ihnen trotzdem nicht.» Es ist so schade, dass es keinen Willen und Gelder in der Forschung gibt, diese wichtigen Themen weiterzuverfolgen.
Ich wünsche mir, dass wir auf den Konsum von Psychedelika nicht anders reagieren, als auf den Konsum eines Biers. Wenn sich jemand eine Stange bestellt, dann nehme ich eben etwas Keti oder 2C-B. Das ist für mich kein grosser Unterschied.
Wenn ich sage, dass ich ins Yoga, in die Psychotherapie oder zur Meditation gehe, dann gilt das als normal. Aber auch ein Teil meines persönlichen Konsums hat eine ähnliche Funktion: Er hilft mir, mich selbst zu erforschen und weiterzuentwickeln.
Im Partykontext frage ich mich oft über Sinn und Unsinn des ganzen Konsums. Mit Koks und Alkohol betäuben sich die Leute einfach. Ich habe immer wieder mit suchtkranken Menschen gearbeitet und darum den Konsum von Betäubungsmitteln auch immer wieder in Frage gestellt. Wo ist da der Sinn? Ich frage mich persönlich oft selbst: Erweitere ich oder unterdrücke ich? Wozu die Ekstase? Der Konsum tut auch mir selbst nicht immer nur gut.
Ob der Konsum bei allen Menschen in meinem Umfeld schlau ist, ist eine weitere Frage. Haben das wirklich alle im Griff? Ich setze da ein Fragezeichen.
Wichtig ist mir, dass sofort und stets akzeptiert wird, wenn jemand nicht konsumieren will. Das gilt natürlich auch bei Alkohol.
Etwas vom Problematischsten am ganzen Konsum finde ich die Schäden, die unsere Nachfrage auslöst – gerade wegen der Illegalität. Die MDMA-Produktion in den Niederlanden zum Beispiel führt zu Umweltverschmutzung. Der illegale Handel fördert die organisierte Kriminalität. Über Kokain müssen wir gar nicht erst reden.
Die Illegalität führt auch zur absurden Situation, dass ich Narrenfreiheit habe, weil ich als weisse Europäerin absolut privilegiert bin: Ich werde von der Polizei weder gestoppt noch mit Verdacht auf den Besitz illegaler Substanzen durchsucht. Das ist positive Diskriminierung. Das ist racial profiling.
Ich weiss auch von meiner Arbeit am Gericht und als Anwältin, dass die Polizei hauptsächlich nach Koks und Gras in grossen Mengen sucht und nicht nach dem, was ich auf mir trage. Dabei ist alles gleichermassen illegal. Das ist unfair.
Ich halte wenig von der Prohibition und würde alles legalisieren, aber je nach Substanz strikter regulieren, insbesondere mit Blick auf Minderjährige und psychische Erkrankungen. Da könnten Alterskontrollen helfen. Man braucht eine gewisse Reife, um damit gut umgehen zu können. Vielleicht 25 Jahre? Oder sogar 30?
Eine gute Beratung ist wichtig. Ich könnte mir Clubs oder Bars vorstellen, in welchen bestimmte Substanzen erlaubt sind und man sich vorstellen und anmelden muss. Ich würde auch die Produktion legalisieren. Die Qualität würde steigen und das Risiko für Schäden sinken.
Die heutige Situation in der Schweiz ist absurd. Substanzen zu konsumieren ist ja faktisch halb legal. Kein Polizist nimmt dir heute vor dem DIZ deine Substanzen weg. Das ist ein Staatsangebot und suggeriert darum auch: Der Konsum ist okay.
Beim Gras sind wir heute schon weit. Seit neuestem werden auch Kleinstmengen nicht mehr bestraft. Das hat das Bundesgericht entschieden. Das heisst, der Eigenkonsum von Marihuana ist in der Praxis schon fast nicht mehr strafbar. Vielleicht ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung.
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