Beat
, 38

Anwalt, Luzern

Psychedelische Pilze sind dem Wesen nach freundliche Riesen im Zwergenkostüm. Sie sind auf den ersten Blick klein und verspielt, auf den zweiten Blick verbirgt sich in ihnen aber eine grosse Kraft. Ayahuasca ist da direkter. Sie ist die geballte Urmacht der Mutter Erde. Sie hat eine starke, eigene Agenda. In einer Zeremonie spürst du reine Liebe und Verbundenheit, in einer anderen stürzt dich die Pflanze in die tiefsten Abgründe. Mit Ayahuasca kannst du den Realitätsbezug komplett verlieren. Das ist mir mit Pilzen noch nie passiert – mit ihnen stand ich immer noch mit einem Fuss im Hier und Jetzt.

Ayahuasca ist einnehmend und allumfassend. Ich kenne niemanden, der sich dieser Medizin hingegeben hat und das nicht als spirituelle Erfahrung beschrieben hätte. Mit Ayahuasca überschreiten wir das Alltägliche in einem solchen Ausmass, dass es sehr schwierig ist, das Erlebte anders, als in spirituellen Kategorien auszudrücken.

Heute würde ich sagen, dass jeder Mensch spirituell ist. Wir existieren materiell auf dieser Erde. Aber unser spirit ist genauso real. Er ist unsterblich und ewig.

Ich stand bereits mehrmals an der Schwelle zur Todeserfahrung. So habe ich dank Ayahuasca quasi das Sterben geübt. Und ich habe gelernt: Wenn etwas in dir stirbt, kommt immer etwas Neues. Das klingt platt, aber es ist wahr. Es ist eindrücklich, diese Binsenwahrheit wirklich zu erfahren.

Ich habe dank dieser Erfahrungen weniger Angst vor Veränderungen. Und der Tod erscheint mir weniger beängstigend. Es ergibt für mich auch rational Sinn, dass unser spirit nach unserem Tod weiterlebt: Der erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass Energie nicht zerstört werden kann, sie kann sich nur wandeln. Und was wäre denn Leben, wenn nicht pure Energie? Der spark in uns, der kann nicht einfach verschwinden. Der muss irgendwohin weiter.

Von solchen spirituellen Gedanken war ich früher sehr weit entfernt. Mir ging es als Kind und Jugendlicher nie sehr gut. Lange betäubte ich mich deshalb auf jede erdenkliche Art und Weise: Ich lenkte mich ab, versuchte Spass zu haben, nahm mit Freunden manchmal Koki, kiffte – und trank vor allem sehr viel Alkohol.

Das machte es überhaupt nicht besser, aber das merkte ich damals nicht. Ich hatte keine Verbindung zu meinen Gefühlen und tastete auf der Suche nach Linderung einfach blind umher. So stiess ich irgendwann eher zufällig auf eine Traumatherapie. Ich war 23 und nahm an einem Gruppen-Workshop Teil. Schon als ich den Raum betrat, brachen alle Dämme: Ich begann zu weinen, hatte Schweissausbrüche und bekam schreckliche Kopfschmerzen.

Dieser Workshop stiess eine erste Tür auf, aber die Trauer- und Angstgefühle, die da hochkamen, erschreckten mich. Ich verdrängte und betäubte sie einige Jahre lang weiterhin.

Erst Ende 20 fing ich wieder an, mich ernsthaft mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ich begann damals eine Therapie – und entdeckte Psychedelika. Bei meinem ersten Mal MDMA merkte ich sehr schnell: das macht Türen auf. Ich kam an Dinge heran, an die ich in einer Therapie kaum herankam. Und schon gar nicht so schnell.

Substanzen, vor allem Alkohol, hatte ich bis dahin nur zur Ablenkung konsumiert. MDMA nahm ich nun zwar auch an Partys, aber es war etwas ganz anderes. Schwierige Gefühle hatte ich früher einfach mit Alkohol betäubt, jetzt widmete ich mich ihnen und nahm sie an. An Partys bedeutete das, dass ich mich für eine Weile zurückzog und mir Zeit nahm für meine Traurigkeit. Das war eine wichtige Erfahrung für mich.

Wenn ich sehe, wie viele Substanzen heute sorglos konsumiert werden, besorgt mich das. Es hat schon stark zugenommen. Manchmal bin ich an Partys oder Festivals und da ist wirklich kein Mensch nüchtern. Und es wird alles unbewusst und wild durcheinander konsumiert – mehr ist mehr. Ich habe das früher selber gemacht, aber inzwischen finde ich es problematisch.

Ich wünsche mir für unsere Gesellschaft, dass die Leute je länger je freier sein können. Der Weg zu dieser Freiheit führt aus meiner Sicht übers Bewusstsein. Unbewusster Konsum klärt das Bewusstsein nicht. Leider ist es kompliziert: Man kann Substanzen dazu benutzen, sich blind zu betäuben. Das geht wunderbar. Aber sie können auch ein Werkzeug sein, um das Bewusstsein zu schärfen und zu erweitern.

Heute konsumiere ich keine synthetischen Substanzen mehr. Sie vertragen sich nicht gut mit der Medizin, welche die Natur für uns bereithält. Dafür nehme ich regelmässig an Ayahuasa-Zeremonien Teil. Sie finden immer am selben Ort, in einem abgelegenen Haus in der Natur statt. Wir sind ein harter Kern von rund 50 bis 100 Menschen, die regelmässig kommen. Die jüngsten sind Mitte 20, die ältesten über 60. Oft kommen auch einmalige Gäste zu den Zeremonien dazu.

Ayahuasca gaukelt mir nichts vor. Die Pflanze verstärkt nur, was ohnehin da ist – und zwar so stark, dass ich gar nicht mehr anders kann, als mich damit auseinanderzusetzen. Das ist kein Konsum, das ist Arbeit. Und diese Arbeit hat auch einen starken Einfluss auf mein Leben.

Ich arbeite als selbständiger Anwalt und habe mit einem Partner zusammen eine eigene Kanzlei. Schon lange beobachte ich, dass sich Menschen, die einen Anwalt brauchen, fast immer in einer Extremsituation befinden. Nicht selten ähneln meine Beratungsgespräche deshalb auch einer Therapiesitzung. Irgendwann beschloss ich, auch dieses Bedürfnis meiner Klienten ernst zu nehmen. Nun schliesse ich in einigen Monaten meine Ausbildung als Traumatherapeut ab. Ich arbeite auch jetzt schon therapeutisch und habe diverse Klienten, für die ich offiziell Anwalt und Therapeut bin. Obwohl es diese Kombination nicht sehr häufig gibt, ist sie eigentlich naheliegend. Solange die Klienten dafür offen sind, funktioniert das gut.

Meiner Familie gegenüber bin ich komplett offen, was Psychedelika angeht. Das hat zwei Gründe: Erstens hat es mit Selbstliebe zu tun. Mir ist es wichtig, nicht zu verstecken, wer ich bin. Zweitens begeistert mich das Thema ganz ehrlich! Ich bin überwältigt davon, was Psychedelika können und möchte das teilen. Vielleicht kann ich den einen oder anderen ebenfalls begeistern. Ich möchte allen Menschen, die das Verlangen danach spüren, einen Zugang zu diesen wertvollen Erfahrungen verschaffen.

Meine Familie reagierte anfangs skeptisch auf meine Begeisterung. Auch mein spiritueller Wortschatz schreckte sie wohl ab. «Ist das eine Sekte?», fragten sie, als ich von den Zeremonien erzählte. Mittlerweile sind sie gelassener geworden: «Gehst du schon wieder dahin?», fragen sie zwar immer noch. Aber alle stellen fest, dass mir die Medizin offensichtlich gut tut. Das finde ich schön.

Zu unseren regelmässigen Familien-Grillfesten habe ich eines Tages Hasch-Brownies mitgebracht. Ich bot sie allen zum Probieren an und einige Familienmitglieder – auch von der älteren Generation – haben davon genommen. Das war ein sanfter Einstieg. Für die meisten gehört Hasch und Cannabis ja noch zu den Gentlemen-Vergehen. Der Abend wurde sehr lustig. Ab jetzt war ich der, der jeweils Brownies mitbrachte.

Etwas später fand bei meinem Onkel zu Hause ein Fest statt. Diesmal brachte ich Pilzextrakt mit. Ich klärte alle interessierten Familienmitglieder auf und erklärte ihnen auch, dass ich sie eben nicht vollständig aufklären konnte, weil bei jedem etwas anderes passieren würde. Einige machten auch hier mit, darunter meine Mutter.

Die meisten hatten gar keine oder nur wenige Erfahrungen mit Substanzen. Ich fand es spannend zu sehen, wie sie unterschiedlich reagierten. Manche spannten sich an, als die Wirkung einsetzte, und probierten die Kontrolle über sich zu behalten. Andere öffneten sich und zeigten sich von einer Seite, die ich noch nie an ihnen gesehen hatte.

Die Stimmung in unserer Familie ist heute deutlich entspannter als früher. Ich würde sagen, dass alle von diesen Erlebnissen profitieren. Ich persönlich finde es vor allem schön, das mit meiner Familie teilen zu können.

Text: Elle
Bild: KI-generiert von Levin

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Eine Veranstaltungsreihe von substanzielles.ch, der Photobastei und der Gesellschaft zur Erweiterung des Bewusstseins. Jeden letzten Mittwoch im Monat in Zürich.

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