Anna & Luc
, 42

Krankenkassen­­angestellte, Raum Zürich

Luc: Anna und ich arbeiten beide bei einer grossen Krankenkasse im Produktmanagement. In der Kaffeepause erzählte sie mir manchmal, dass sie wieder mehr im Nachtleben unterwegs sei. Die Uhrzeiten sprachen für sich: Nur mit Alkohol schaffte sie das nicht. Eines Tages, als wir nur zu zweit waren, fragte ich sie, was sie denn so konsumiere. So kamen wir aufs Thema.

Ich selbst hatte als Teenager einige Substanzen probiert. Mein erstes Mal mit MDMA war beim Gurtenfestival, bei einem Konzert von Portishead. Jemand hatte es mir angeboten und ich nahm es, ohne viel zu überlegen. Danach sass ich auf dem Hügel, blickte auf die Bühne und die Menschenmenge hinab und fand es wunderschön.

Später probierte ich noch einige andere Substanzen, aber ich wollte nicht in etwas hineinrutschen und verbot es mir selbst. Jahrzehntelang war Konsum für mich überhaupt kein Thema. Erst später, als ich über 40 war, bekam ich Lust, wieder etwas auszuprobieren. Meine damalige Frau war darauf nicht ansprechbar, aber Anna reagierte darauf sofort neugierig.

Anna: In meiner Jugend wurde um mich herum viel konsumiert. Mir war immer klar: Das Zeug würde ich niemals anfassen! In meinem Kopf geisterten die klassischen Vorurteile herum: Aus dem Fenster springen, Kontrollverlust. Im Ausgang trank ich jahrelang immer Alkohol, aber je älter ich wurde, umso schlechter vertrug ich das Trinken. Irgendwann hatte ich genug. Es musste etwas anderes her. Eines Tages probierte ich in einem Zürcher Club MDMA. Es war die klassische Erfahrung, die alles relativierte – sofort.

Ich begann mich danach näher mit Substanzen zu beschäftigen und hörte plötzlich auch andere Erzählungen: Verbundenheit mit der Natur, das Erforschen eigener Gefühle. Das machte mich neugierig und offener gegenüber dem Thema. Als mich Luc in der Kaffeepause auf Psychedelika ansprach, hatten wir die Idee, etwas zusammen zu probieren.

Luc: Anna lebt auf einem abgelegenen Bauernhof im Zürcher Oberland und während Covid machten wir immer wieder Homeoffice bei ihr zu Hause. So lernten wir uns besser kennen. Meiner Ehe ging es in dieser Zeit nicht mehr gut – es war für mich eine anspruchsvolle Zeit. Eines Tages beschlossen Anna und ich, Nägel mit Köpfen zu machen. Wir vereinbarten, zusammen Pilze zu nehmen. Ich hatte im Tagi einen Artikel über einen Telegram-Chat gelesen, über den man Substanzen besorgen konnte. Also setzte ich mich hin, begann zu recherchieren und hatte tatsächlich bald zwei Portionen im Briefkasten.

Anna: Unseren ersten Trip erlebten wir an einem Waldrand im Zürcher Oberland. Es war schon ein bisschen awkward. Wir kannten uns zwar inzwischen recht gut, aber wir waren halt doch einfach Arbeitskollegen. Die Pilze konfrontierten uns mit Emotionen, die wir noch nicht miteinander geteilt hatten. Darum waren wir beide etwas nervös und angespannt. Trotzdem was es ein faszinierendes Erlebnis und wir beschlossen, auch einmal LSD zu probieren.

Luc: Wir verabredeten uns, ein Wochenende auf meinem Maiensäss im Bündnerland zu verbringen und dort gemeinsam LSD zu nehmen. Meine Frau und ich hatten uns inzwischen getrennt und ich wusste nicht so recht, was ich von unseren Ausflügen halten sollte. Ich mochte Anna, aber konkrete Absichten hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Rückblickend hat unsere Geschichte aber mit diesem LSD-Trip ihren Anfang genommen.

Anna: Dieser Ausflug war sehr besonders für mich. Der Ort war so friedlich und abgelegen inmitten der Natur. Es hätte nicht perfekter sein können und das LSD machte die ganze Erfahrung noch intensiver. Am Abend lagen wir zusammen draussen am Lagerfeuer. Die Szene, wie der Vollmond majestätisch über der Bergkette aufging, war unglaublich schön und fast ein wenig kitschig. Wir sind uns da zum ersten Mal näher gekommen: Luc fragte mich, ob er mich umarmen dürfe. Dieser Moment ist mir noch sehr klar in Erinnerung, das war bedeutsam für uns beide.

Luc: Trotzdem verhielten wir uns in der folgenden Zeit wie zwei schüchterne Teenager. MDMA hat das dann geregelt. Wir gingen an einem verregneten Sonntagnachmittag ins Hive. Die Substanz gab uns den letzten Stups und wir haben den ganzen Nachmittag lang herumgeknutscht. Ich glaube, ohne Substanzen hätten wir zu diesem Zeitpunkt beide zu viele red flags gesehen. Ich war frisch getrennt und nicht auf der Suche nach einer neuen Beziehung. Anna sagte mir später, dass sie sich eigentlich nie auf einen frisch getrennten Mann einlassen wollte. Aber MDMA hat unsere Türen weit aufgestossen und so die Basis unserer Beziehung gelegt.

Anna: Wir kannten uns als Arbeitskollegen schon lange, aber die Substanzen, die wir miteinander konsumierten, haben uns einander in einem neuen Licht gezeigt. Ich hatte einige schwierige Beziehungsgeschichten hinter mir. Mit Luc war alles anders. Unsere Beziehung entwickelte sich ganz langsam und behutsam und wir zeigten uns einander von Anfang an genau so, wie wir waren. Diese beiden Ichs, die wir da entdeckten und einander zeigten – die passten einfach so unglaublich gut zusammen. Wenn zwei Introvertierte zusammen sind, ist es ja manchmal komisch. Es entsteht dieses Schweigen, das nicht gefüllt werden kann. Aber zwischen uns ist ein Raum aufgegangen, in dem wir uns beide zu Hause fühlen.

Obwohl wir alle ein bis zwei Monate bei mir zu Hause oder in Lucs Maiensäss konsumieren, sprechen wir mit fast niemandem darüber. Wir kennen auch nur sehr wenige Leute, die selber konsumieren. Manchmal muss ich mich ziemlich zurückhalten. Ich bin in meinen Erzählungen immer sehr euphorisch. Darauf reagieren die Leute mit Skepsis. Darum überlege ich mir nun jeweils sehr genau, mit wem ich darüber spreche und tue das nur sehr selektiv.

Zusammen besprechen wir unsere Reisen immer ausführlich – oft am nächsten Morgen am Frühstückstisch. Uns ist beiden die Integrationsarbeit wichtig. Luc schreibt Tagebuch und notiert nach jedem Trip, wie viel wir genommen haben und stichwortartig einige Gedanken und Gefühle. Mir fällt es schwer, das Erlebte aufzuschreiben und noch schwerer, es später zu lesen. Es gibt oft keine angemessenen Worte dafür.

Zu Weihnachten habe ich von Luc Wasserfarben bekommen. Nun versuche ich, das Erlebte eher in Bildern zu verarbeiten. Das Kreative wurde mir im Berufsleben über Jahre konsequent abtrainiert, da läuft alles über den Kopf. Es gefällt mir, diesen Zugang nun wieder zu entdecken und meine Erlebnisse so zu verarbeiten.

Luc: Ich bin mehr so der Forscher. Ich habe einen kleinen Metallkoffer, wo ich die Substanzen und alle Utensilien drin habe. Ich liebe es, die Substanzen präzis abzuwägen und zu präparieren. Am liebsten würde ich meinen Koffer allen ganz stolz präsentieren. Aber das geht ja nicht. Wir experimentieren viel, auch mit verschiedenen Substanzen und Kombinationen. Kürzlich haben wir einen nexus flip probiert, das ist eine Kombination aus MDMA und 2-CB. Das war faszinierend.

Ketamin sagt mir bisher nicht so zu. Dafür möchte ich unbedingt nochmals Meskalin ausprobieren. Mephedron probieren wir als nächstes und kürzlich hatten wir endlich einmal DMT. Anna hat das gar nicht gefallen, sie verträgt das Rauchen nicht. Aber ich will unbedingt nochmals in diesen Raum zurück. Das war unglaublich.

Anna: Wenn wir LSD nehmen, hören wir als Verbindungselement oft dieselbe Playlist, jeder mit seinen Kopfhören. Dann ist Luc im oberen Stock und ich unten.

Früher haben wir alle Trips ganz eng zusammen erlebt, irgendwann merkten wir, dass das gar nicht immer sein muss. Das kann sogar sehr verwirrend sein. Man spürt diese Dinge, reagiert auch aufeinander und versteht irgendwann nicht mehr, was nun zu einem selbst gehört und was zum anderen. Inzwischen finde ich es fast besser, wenn jeder auch seine Phasen für sich hat. Wenn der Peak vorbei ist, finden wir uns und verbringen einen Teil des Trips zusammen.

Gemeinsam auf MDMA zu tanzen ist wunderschön. Aber MDMA ist für uns auch Beziehungsarbeit. Manchmal sitzen wir einfach zu Hause auf dem Sofa, kuscheln, reden, und sagen einander, wie gern wir uns haben. Das wäre ja auch sonst so, aber vielleicht sagt man sich diese Dinge als Paar im Alltag nicht oft genug. Das sind jedenfalls beziehungsstärkende Momente für uns.

Luc: Substanzen sind nicht der zentrale Punkt unserer Beziehung, aber wir nutzen sie als Werkzeug. Unsere Beziehung hat durch unseren gemeinsamen Konsum eine Tiefe gewonnen, die wir beide von früheren Beziehungen so nicht kennen. Es kann schon sein, dass sie irgendwann ihren Reiz verlieren. Aber wenn das so ist, dann ist es ja auch okay, oder?

Anna: Ja klar. Aber im Moment gibt es für uns noch viel zu viel zu entdecken.

Text: Elle
Bild: KI-generiert von Levin

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