Logopädin, Horgen (ZH)
Ich nehme ungefähr einmal pro Monat einen oder zwei Teelöffel Iboga. Das ist so eine Wurzelrinde aus Afrika. Ich habe keinen fixen Plan. Oft nehme ich es am Abend, wenn ich am nächsten Tag ausschlafen kann. Die Träume werden lebhafter.
Iboga geht durch den Körper und holt Dinge hervor, die im Untergrund schwelen, damit sie geheilt werden können. Wenn du mit der Pflanze freundlich im Gespräch bleibst, kannst du herausfinden, was in dir verborgen ist.
Nach meiner ersten Erfahrung hatte ich eine schwere Grippe und war lange krank. Später hatte ich noch eine Kehlkopfentzündung, aber seither hatte ich nie wieder irgendwelche gesundheitlichen Probleme. Iboga löst auch physische und psychische Abhängigkeiten.
Mich fasziniert, dass die Pflanze aus Afrika kommt und dass sie kein Geschlecht hat. Sie ist weder männlich noch weiblich. Das schaltet irgendwie anders in den Neuronen.
Ich lernte Iboga dank einer Freundin aus Berlin kennen. Sie sagte mir, dass sie im Gabon einen Iboga-Retreat besucht habe. Das erzählte sie nur mir. Vielleicht, weil ich selbst, bis ich elf war, in Afrika gelebt habe?
Ich habe mir dann einfach etwas Iboga für 200 Franken im Internet bestellt. Es kam nichts an, dafür schickte mir jemand erpresserische E-Mails. Darin stand, dass das Paket an der Grenze feststecke und ich noch mehr Geld überweisen müsse. Es kamen sieben solche Emails! Da bin ich schon unruhig geworden. Gezahlt habe ich nichts.
Mehr Informationen über die Pflanze fand ich im Iboga-Buch von Eudaimon. Das ist ein Standardwerk. Und zum Glück bin ich später auf eine Quelle in der Schweiz gestossen.
In meinem Leben hatte ich lange überhaupt keine Berührung mit Drogen. Ich bin christlich-fundamentalistisch aufgewachsen. Zu sex, drugs and rock’n’roll hiess es: Ja nicht! Das hat man von mir ferngehalten. Drogen waren etwas Schlimmes. Ich war zweimal kurz bei den Jesus-People. Die hatten die Musik von den Hippies abgeschaut, waren aber sonst sehr konservativ.
Als Jugendliche lebte ich in Zürich. Die offene Drogenszene am Letten war sehr präsent. Mit einer kleinen, christlichen Hilfsorganisation war ich freiwillig auf der Gasse, um zu helfen. Ich habe mich um Tee, Musik und das Aufräumen gekümmert. Da habe ich gesehen, was Koks und Heroin mit dem Körper machen können. Beides habe ich nie probiert. Da habe ich grossen Respekt.
Mich haben vor allem die Menschen und ihre Geschichten interessiert. Sie waren zwar körperliche Wracks, dafür aber authentisch und hatten nichts zu verlieren. Sie waren ohne die Masken, welche die Menschen sonst in der Gesellschaft tragen. Man nannte sie damals «Randständige». Sagt man das heute noch?
Ich fragte mich damals: Warum dieses Elend? War die Illegalität schuld daran? War es der Beschaffungsstress? Das Stehlen? Wir wissen nicht, wie es gelaufen wäre, wenn das alles legal und sauber funktioniert hätte.
Was ich beobachtet habe, war keine Flucht. Es war ein ehrliches Suchen nach einer anderen Welt. Viele erzählten mir damals von transzendenten Erlebnissen oder einer Nahtoderfahrung. Das konnte ich verstehen, denn auch ich hatte eine, als ich sieben Jahre alt war. Als Kind bin ich in durch eine Scheibe gerannt. Ich verlor sehr viel Blut. Sie haben mich damals mit Lokalanästhesie wieder zusammengenäht.
Vor zehn Jahren habe ich die Zen-Meditation entdeckt. Ich steckte damals mitten im Hamsterrad mit Familie und Beruf und ich wusste sofort: Ach, ja, klar, das ist es! Ich fand eine ähnliche Leere und Stille wieder, wie ich sie als Kind bei meiner Nahtoderfahrung gespürt hatte. Seither meditiere ich regelmässig.
Über Heilpflanzen gibt es unter den Zen-Menschen starke Vorurteile. Sie werden verteufelt. Manche denken, dass das gleich zu einer Psychose führt und dass immer unbedingt ein Arzt dabei sein muss. Manche denken, dass Heilpflanzen in die Esoterik-Ecke gehören und nur etwas für Menschen neben der Spur sind.
Ich verstehe das nicht. Vielleicht kommt diese Haltung aus der Schulmedizin? Oder weil die Substanzen illegal sind? Das macht doch keinen Sinn. Wir sind doch mündig und können selbst entscheiden.
Es liegt mir am Herzen, dass die Heilpflanzen aus der Schmuddelecke kommen. Wir haben im Westen Geist und Körper des Menschen auseinandergerissen. Wenn du das Bewusstsein hast, dass beides nicht getrennt ist, dann siehst du Medizin ganz anders.
Während des Lockdowns nahm ich regelmässig Iboga und habe intensiv meditiert. Ich machte damals elf Sesshins in vier Jahren. Ich habe den Eindruck, dass Iboga die Leere und Stille in der Meditation unterstützt.
Vor zwei Jahren habe ich an einer Ayahuasca-Zeremonie teilgenommen. Das war eine Grenzerfahrung. Ich nahm Abschied und sah mich bereits in der Psychiatrie. Sechs Stunden war ich wie fixiert, konnte mich nicht bewegen und nicht einmal einen Schluck aus der Wasserflasche trinken.
Ich bin kein visueller Mensch, gesehen habe ich dabei nicht viel. Aber dafür hörte ich die Musik und die Klänge wie nie zuvor. Dann war es plötzlich still. Da war sie wieder, diese Leere, diese Stille. Ich konnte mit Ayahuasca reden. Die Pflanzen reden ja auch untereinander. Ayahuasca fragte: «Ich habe dich nicht gerufen, was machst du hier? Aber jetzt bist du ja schon da.» Das war überraschend und gut. Sie sagte: «Dein Weg ist Zen und Iboga.» Ich sagte: «Ja, das stimmt.»
Ich weiss noch, wie ich auf die Uhr geschaut habe und nichts verarbeiten konnte, wie eine Aphasikerin oder eine Analphabetin. Es gab keine Zeit. Es gab keine Trennung zwischen mir und der Welt. Es gab kein Ich. Alles war einfach da. Es war diese Einheitserfahrung, die eigentlich keine Erfahrung ist und die ich auch bei meiner Nahtoderfahrung als Kind und später bei der Meditation hatte. Das war mein bisher eindrücklichstes Erlebnis.
Dieses Jahr habe ich zwei Reisen mit je einem Gramm Spitzkegeligem Kahlkopf gemacht. Pilze haben ein riesiges Potential! Für mich verkörpern sie Leichtigkeit, Unbeschwertheit und einen gewissen Humor. Bei Iboga nehme ich mehr Strenge und Ernsthaftigkeit wahr. Ich finde, beides ergänzt sich sehr gut. Iboga selbst findet auch, dass es eine gute Idee ist, ab und zu mit den Pilzen zu reisen – ich habe die Pflanze gefragt.
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