Elodie
, 36

Kindergarten- und Yogalehrerin, Olten (SO)

Ich bin gerade von einer dreimonatigen Reise durch Südamerika zurückgekommen. Zusammen mit meinem Lebenspartner habe ich in Peru an einer dieta teilgenommen. Die dieta ist eine alte Tradition der Shipibo-Kultur, bei der Ayahuasca eingenommen wird. Ich habe bereits einmal in der Schweiz an einer Ayahuasca-Zeremonie teilgenommen, aber das war mit diesem Erlebnis überhaupt nicht vergleichbar. Damals fühlte es sich trotz ritueller Zeremonie so an, dass es primär um Konsum und Unterhaltung ging. Das war in Peru ganz anders.

Nils und ich waren eine Woche beim Stamm der Shipibo. Bei der dieta geht es darum, Raum zu schaffen, um sich mit der Pflanze verbinden zu können. Die Shipibo-Schamanin ist eine alte Frau und eine Koryphäe in ihrem Gebiet – Menschen aus der ganzen Welt kommen auf der Suche nach Spiritualität zu ihr. Vor der Zeremonie hat sie mit jedem von uns gesprochen und uns eingeladen, unsere persönliche Intention für die Zeremonie zu setzen.

Zur Vorbereitung hatten wir bereits Wochen vorher kein Salz und Öl mehr zu uns genommen. Während der Woche der dieta wurde gefastet und wir assen nur kleine Portionen von gedämpftem Gemüse. Jeder von uns hatte seinen eigenen Bungalow. Wir hatten kein Handy, lasen nicht, berührten einander nicht und sprachen wenig.

Die erste Zeremonie war für mich sehr unangenehm. Ich fühlte mich fehl am Platz. Es kam mir absurd vor, dass ich da im Dschungel sass und zusammen mit anderen Europäern Drogen konsumierte, um mich persönlich weiterzuentwickeln. Ich fragte mich: Warum bin ich nicht lieber auf meiner Yogamatte? Während der ganzen Zeit wehrte ich mich gegen die Erfahrung und wartete darauf, dass es vorbei ging.

Am Abend kam Clémence in meinen Bungalow. Sie kommt aus Frankreich, lebt aber bei den Shipibo und arbeitet für die Schamanin als Kulturvermittlerin. Im Gespräch mit ihr wurde mir bewusst, dass ich viel zu ehrgeizig an die Sache herangegangen war. Ich hatte wochenlang meinen Körper entgiftet, gefastet, hatte wenig Energie und wollte alles richtig machen.

Clémence riet mir, netter zu mir selbst zu sein und nicht so hohe Erwartungen zu haben. Die Verbindung zu Ayahuasca könne nicht krampfhaft aufgebaut werden.

Ich schrieb in diesen Tagen viel Tagebuch und notierte, dass ich loslassen lernen will: surrender and let go!

Bei der zweiten Zeremonie einige Tage später setzte ich dann ganz einfach die Intention, das zu lernen, was die Pflanze für mich bereithält. Und es war grossartig! Mindblowing! Maestra Manuela kommt während der Zeremonie jeweils einzeln zu jedem hin und singt für dich persönlich ihre Heilgesänge. Ich genoss diesen Moment unglaublich und sah, wie sie mit ihrem Gesang Bilder für mich malte. Und diese Bilder konnte ich verändern, indem ich mitsang! Das war ein unglaublich befreiendes Erlebnis.

Beim Konsum von Ayahuasca muss man sich ja häufig übergeben – das gehört zum Prozess der Reinigung. Ich übergab mich ausgerechnet, als maestra Manuela für mich sang. Zuerst war mir das peinlich, aber dann realisierte ich, dass ich gar nichts tun musste! Ich hing da über dem Kübel, aber in mir drin passierte trotzdem unglaublich viel – ganz von allein.

In diesem Moment fühlte ich mich unendlich getragen. Während ich mit meinem eigenen Gesang Manuelas Bilder veränderte, fühlte ich mich als aktiver Teil der Zeremonie. Ich merkte: Ich trage zur Welt bei, einfach, indem ich bin. Ich muss gar nicht so viel wollen.

Die Reise nach Peru ist Teil eines grösseren Prozesses, in dem ich mich gerade befinde. Ich bin Kindergartenlehrerin und habe nach einem Unfall angefangen Yoga zu machen. Dank Yoga wurde ich sensibler auf die Empfindungen in meinem Körper und realisierte, dass ich schon sehr lange sehr ausgelaugt war.

Lehrerkreise sind ja ein wenig wie eine Sekte: Im Lehrerzimmer finden es alle ganz normal, wenn du sagst, dass du abends nur noch weinen kannst. Wir haben halt einen strengen Job, sagen dir die Leute. Erst als ich krankgeschrieben war, merkte ich, dass das kein normaler Zustand ist.

Vor meinem Unfall hatte ich eine ziemlich wilde Partyphase. Es gab Zeiten, da machte ich einen Master in Erziehungswissenschaften, unterrichtete an einem Tag Deutsch für Geflüchtete, an drei Tagen arbeitete ich im Kindergarten und jedes Wochenende war ich von Freitag bis Sonntag im Ausgang – wohlgemerkt fast ohne Schlaf. Dazu braucht es logischerweise Amphi. Anders geht es nicht.

Meine erste Erfahrung mit Substanzen machte ich 2016. Da war ich 29. Ich probierte an einem Psytrance-Festival mit anderen zusammen MDMA. Es gefiel mir nicht besonders und das ist bis heute so geblieben. Irgendwie löst MDMA in mir etwas anderes aus als bei allen anderen. Ich werde rastlos, mir ist unwohl – das viel umschwärmte Glücksgefühl erlebe ich nur ganz selten.

Amphi wurde darum schnell meine Lieblingssubstanz, weil sie mir ermöglichte, wild Party zu machen und gleichzeitig all meine beruflichen Ziele zu erreichen. Ich habe gemerkt, dass ich Amphetamin noch drei Wochen nach dem Konsum in meiner Yogapraxis spüre. Da realisierte ich, dass es mir das nicht wert ist und habe angefangen, weniger Drogen zu konsumieren.

Seit einem Jahr trinke ich zudem keinen Alkohol mehr. Der Alkoholverzicht hat bei mir vieles in Gang gebracht. Ich merkte dadurch, wie sehr mein Job im Kindergarten an mir zehrte, dass mir der Lärm extrem zusetzt und dass mir dieser Beruf eigentlich gar nicht so liegt.

Oft kam ich am Freitag nach Hause, war völlig fertig und den Tränen nahe. Ich trank ein Bier, traf Leute, trank mehr Bier und vergass, wie erschöpft ich war. Erst als ich aufhörte zu trinken, merkte ich, dass es mir nicht gut ging.

Diesen Sommer habe ich dann endlich den Schlussstrich gezogen. Ich will nicht mehr Kindergärtnerin sein. Nach meiner Reise werde ich noch einige Stellvertretungen übernehmen, um Geld zu verdienen. Aber ich will mich neu ausrichten, eine Ausbildung machen und vielleicht andere dabei unterstützen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie ich.

Ich glaube, es kommen nun Zeiten, in denen ich nur noch selten und ganz bewusst konsumieren will. Der Partykonsum interessiert mich nicht mehr. Meine wilden Partyjahre sind vorbei.

Text: Elle
Bild: KI-generiert von Levin

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Rechtsanwalt und Wissenschaftler

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Eine Veranstaltungsreihe von substanzielles.ch, der Photobastei und der Gesellschaft zur Erweiterung des Bewusstseins. Jeden letzten Mittwoch im Monat in Zürich.

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