Unternehmer, Rumendingen (BE)
Ich wusste, dass ich LSD irgendwann ausprobieren möchte. Die Euphorie der Sechzigerjahre rund um Psychedelika hat mich schon immer fasziniert. Die damalige Stimmung wurde zu einem Ventil gegen die engstirnige Gesellschaft. Trotzdem dauerte es sehr lange, bis ich es dann tatsächlich selbst ausprobierte.
Mit 53 fragte ich meine Partnerin, ob sie mich auf einem Trip begleiten würde. Weil sie überhaupt keine Erfahrungen hatte, war ihr damit aber unwohl. Was wäre, wenn ich plötzlich den Drang verspürte, nackt durchs Dorf zu laufen? Wir hatten beide die klassischen Bilder aus den Medien im Kopf. Schliesslich nahmen wir zusammen an einem LSD-Ritual teil, das von einer kleinen Organisation angeboten wurde.
Für mich war es ein Erlebnis reinster Glückseligkeit. Alle Schranken sind gefallen, der ganze Körper reagierte hochsensibel, ich befand mich in einem wunderbaren, gedankenlosen Zustand. In den letzten Jahren habe ich angefangen, mich mit Meditation zu befassen. Während einer tiefen Meditation kann man Zustände erreichen, die vergleichbar sind mit dem, was man mit dem Konsum von Psychedelika erreicht. Mit luziden Träumen ist es ähnlich – auch das fasziniert mich sehr.
Ich habe inzwischen viel über diese Mechanismen gelesen und nachgedacht. Ich würde es so erklären: Um uns in unserer komplexen Welt zurechtzufinden, müssen wir die Fülle an Sinneseindrücken, die ununterbrochen auf uns einströmt, drastisch einschränken und nur einen Bruchteil davon in unser Bewusstsein vordringen lassen. Dazu haben wir im Gehirn eine gut trainierte Schaltzentrale, die diese Auswahl steuert. Mit einer Substanz wie LSD wird diese Schaltzentrale gedimmt, so dass die Flut an Sinneseindrücken auf einmal ungefiltert in unser Bewusstsein fliesst. Wir sind befreit von unseren eingefrästen Mustern und können uns zu ungeahnten sinnlichen Genüssen aufschwingen. Ebenso erhalten wir Zugang zu einer inneren Weisheit, die uns im Alltag nur schwer zugänglich ist. Überraschende Einsichten und Lösungen für Probleme, die wir schon lange mit uns herumtragen, sind auf einmal da. Wenn die eingefrästen Muster ausser Kraft gesetzt werden, verlieren wir allerdings auch an Stabilität. Da können womöglich Dinge hochkommen, die wir bisher erfolgreich verdrängt haben.
Meine bisherigen Erlebnisse mit Substanzen waren ausschliesslich positiv. Gerade als Unternehmer, der jahrelang alles im Griff haben musste, ist für mich dieser Kontrollverlust ein grosser Genuss. Ich kenne aber auch Leute, für die LSD-Reisen unangenehm und herausfordernd sind.
Ich lebe heute im Kanton Bern in einem kleinen Bauerndorf mit weniger als 100 Einwohnern. Nach meiner Lehre als Elektroniker arbeitete ich eine Weile lang auf meinem Beruf. Als das Internet aufkam, arbeitete ich in einer IT-Bude. Später machte ich mich selbständig und baute zwei kleine Unternehmen mit je fünf Mitarbeitern auf.
Ich strebte nie nach Karriere. Immer, wenn ich genug Geld beiseite gelegt hatte, nahm ich mir eine Auszeit, ging auf Reisen oder nahm mir Zeit für andere Dinge. Kurz vor Covid habe ich beide Firmen verkauft. Jetzt habe ich vor allem viel Zeit. Ich schreibe und verbringe wieder viel Zeit mit Malen und Lesen.
Wären Substanzen legal, würde ich gerne substanzbegleitet mit Leuten arbeiten. Ich glaube, darin steckt grosses Potenzial für Bereiche wie Therapie, Selbstentwicklung und auch die palliative Begleitung. Auf diese Weise lernen, loszulassen, kann sehr heilsam sein. Aber es sieht leider nicht danach aus, als ob das noch während meiner Lebzeit legal möglich wäre.
Substanzen gehören für mich eher in die zweite Lebenshälfte. Meine Kinder sind in den Zwanzigern und haben zufällig mitgekriegt, dass ich hin und wieder LSD konsumiere. Ich will es vor ihnen auch gar nicht verstecken, rate ihnen aber doch davon ab. Wenn man jung ist, wartet hinter jeder Begegnung eine potenzielle Zukunft. Das eigene Selbstbild entwickelt sich erst – da braucht man Stabilität.
Die allgemeine Skepsis gegenüber Psychedelika kann ich gut verstehen. Wer sie nicht aus eigener Erfahrung kennt, denkt wohl nur an «Drogen» und alles Negative, das mit dem Begriff verbunden ist. Gleichzeitig hört man vielleicht überschwängliche Erfahrungsberichte – und die unterscheiden sich untereinander auch noch stark, weil Substanzen bei jedem Menschen anders wirken. Das ist wirklich schwierig einzuordnen.
Obwohl ich vor Psychedelika grossen Respekt habe, bin ich für Eigenverantwortung: Alkohol ist eine sehr gefährliche Substanz und es gibt Menschen, die sich damit in den Tod trinken. Trotzdem ist sie legal und wir trauen den Leuten den Umgang damit grundsätzlich zu. So sollte es auch mit psychoaktiven Substanzen sein.
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Eine Veranstaltungsreihe von substanzielles.ch, der Photobastei und der Gesellschaft zur Erweiterung des Bewusstseins. Jeden letzten Mittwoch im Monat in Zürich.